Ethisches Inkasso als wichtiger Teil von Sustainability
Jason Glanzmann, Commercial Director bei Intrum Schweiz, hat die Entwicklung eines nationalen Verhaltenskodexes vorangetrieben, um sicherzustellen, dass Inkassounternehmen in der Schweiz ihre Kunden fair behandeln.
Der neue nationale Verhaltenskodex basiert auf den selben Werten wie der Code of Conduct von Intrum und der Anweisung zur fairen Behandlung von Konsumenten. Auf welche Themen konzentriert er sich?
«Im Grunde geht es darum, klare Richtlinien für die Inkassobranche in der Schweiz festzulegen und sicherzustellen, dass wir verschuldete Konsumenten fair behandeln. Die Art und Weise, wie wir kommunizieren, ist ein zentrales Thema, sowohl was den Zeitpunkt als auch den Inhalt der Kommunikation betrifft. Weitere Punkte sind das Beschwerdemanagement und der Umgang mit besonders schutzbedürftigen Konsumenten. Das Wichtigste aus meiner Sicht sind Transparenz, Integrität und Fairness. Ich bin der Meinung, dass wir als marktführendes Kreditmanagement-Unternehmen der Schweiz die Verantwortung haben, die Branche voranzubringen.»
Warum war es so wichtig, den Schutz für verschuldete Konsumenten hier in der Schweiz zu stärken?
«In unserer Branche gibt es keine gleichwertigen nationalen Vorschriften, eine Situation, die wir mit vielen Märkten teilen. Historisch gesehen hat die Kreditmanagementbranche hier einen schlechten Ruf. Viele Kunden haben die Erfahrung gemacht, dass es dem Inkassoprozess an Transparenz mangelt, und sie haben sich zudem stark unter Druck gesetzt gefühlt. Hinzu kommt, dass Kundenbeschwerden in vielen Fällen ignoriert worden sind. Die Handlungen der Inkassounternehmen haben einen grossen Einfluss auf die Menschen, sowohl auf ihre finanzielle Situation als auch auf ihr psychisches Wohlbefinden.»
Der Schweizer Verhaltenskodex trat im Dezember 2020 in Kraft. Erzählen Sie uns, wie Sie das erreicht haben.
«Als ich im Frühjahr 2019 in unseren Branchenverband gewählt wurde, habe ich darum gebeten, mit der Arbeit an der Selbstregulierung der Branche zu beginnen. Der neue Verhaltenskodex setzt Mindeststandards für die faire Behandlung von Kunden und ist nun für unsere über 30 Mitgliedsunternehmen verbindlich. Wir haben auch eine unabhängige Ombudsstelle eingerichtet, wo sich verschuldete Konsumenten beschweren können. Es war wichtig, dass der Kodex nicht nur ein Stück Papier bleibt, sondern in der Praxis funktioniert und etwas bewirkt.»
Der nächste Schritt ist ein Zertifizierungsverfahren. Kann sich jeder zertifizieren lassen?
«Der Zertifizierungsprozess ist ein proaktiver Schritt. Er wurde im September 2021 mit der Einführung eines freiwilligen «Faires Inkasso»-Labels angekündigt. Ab Juli 2022 können zertifizierte Mitglieder des Branchenverbands die Zertifikate verwenden, um nachzuweisen, dass sie den Verhaltenskodex anwenden.
Die Initiative erleichtert die Kommunikation und schafft eine grössere Glaubwürdigkeit für ethisches Inkasso. Die Zertifizierung wird von einer unabhängigen, vertrauenswürdigen Stelle durchgeführt und umfasst ein Formular zur Selbsteinschätzung, regelmässige Audits, zwischenfallbezogene Bewertungen und Mitarbeiterschulungen.»
Was sagen die Kunden? Schätzen sie den Wert dieser Zertifizierung?
«Ihre Neugierde ist geweckt, sobald wir über ethisches Inkasso sprechen. Sie erkennen den Wert von lösungsorientiertem Inkasso, welches die Beziehung zum Konsumenten erhöht und zudem profitabler ist. Inkassorechnungen konkurrieren immer mit anderen Rechnungen, und ein Konsument wird eher zahlen, wenn er gut behandelt wurde. Der Verhaltenskodex hilft den Finanzverantwortlichen auch dabei, ihr internes Management davon zu überzeugen, dass die Auslagerung des Inkassos Kosten spart und rentabel ist. Wir wissen aus Erfahrung, dass ethisches Inkasso für alle Beteiligten ein Gewinn und ein grosser Wettbewerbsvorteil ist.»
Das Interview mit Jason Glanzmann ist veröffentlicht im Annual and Sustainability Report 2021, der heute erschienen ist. Haben Sie Interesse an dem Report?